Nach einem langen, anstrengenden Tag schleppte sich Berna mühsam nach Hause. Die Erschöpfung in ihrem Kopf hatte längst auf ihren Körper übergegriffen. Sie ließ sich in den antiken Sessel neben ihr sinken – ein Möbelstück voller bittersüßer Erinnerungen. „Puh, wie müde ich bin! Vielleicht vergeht die Erschöpfung ja, wenn ich mich ein wenig ausruhe…“, dachte sie.
Seit Tagen war sie völlig aus der Fassung; dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen ab, ihr Gesicht war bleich. Körperlich konnte sie sich zwar erholen, aber: „Was ist mit der Müdigkeit in meinem Kopf… Wie soll die verschwinden?“, fragte sie sich und holte tief Luft.
Die Ereignisse der letzten Tage zogen wie ein Film an ihr vorbei. „Warum passen bei den Menschen Worte und Taten so oft nicht zusammen? Wie können sie so gefühllos und widersprüchlich handeln?“, grübelte sie und versuchte gleichzeitig, Antworten auf ihre Fragen zu finden.
Je mehr sie über ihre Situation nachdachte, desto stärker pochte ihr Herz, und jeder Atemzug blieb wie ein Knoten in ihrem Hals stecken. Sie fragte sich, wie es überhaupt so weit hatte kommen können.
Ein hoffnungsvoller Anfang
Kennengelernt hatte Berna Emin bei einem Geschäftstreffen. Zunächst waren sie Kollegen, doch schon bald entwickelte sich eine engere Vertrautheit. Emin überhäufte sie in dieser Zeit mit Botschaften voller überschwänglicher Liebeserklärungen: „Du bist der Sinn meines Lebens, mein Grund zu existieren“ oder „Ohne dich ist das Leben nicht auszuhalten“. Wie den meisten jungen Frauen schmeichelten auch Berna diese Worte.
Worte und Wirklichkeit
Doch zwischen den Nachrichten und seinem Verhalten im Alltag klaffte eine deutliche Lücke. Sollte man nicht Interesse an dem zeigen, den man liebt? Sollte man sich nicht daran freuen, ihn zum Lächeln zu bringen? Emin dagegen schien kaum neugierig auf das, was Berna mochte. Treffpunkte, Uhrzeiten und Restaurantwahl richteten sich allein nach seinen Vorlieben. Selbst wenn er sie abends an der Bushaltestelle allein zurückließ, schien ihn das nicht zu kümmern. Berna redete sich ein, dass sich diese Dinge mit der Zeit schon ändern würden.
Auch die Meinung ihrer Mutter war ihr wichtig, nur wusste sie nicht recht, wie sie sie fragen sollte. Eines Tages erzählte sie ihrer Mutter alles so, als ginge es um eine Freundin, und bat um Rat. Ihre Mutter meinte:
„Mein Kind, die Zunge hat kein Gebein; jeder kann alles behaupten. Entscheidend sind nicht die Worte, sondern die Taten. Das Wichtigste ist Aufrichtigkeit. Wenn jemand nicht ehrlich handelt, kann keine stabile Beziehung entstehen. Hat deine Freundin starke Gefühle für den Jungen, wird sie seine Fehler und seine Selbstsucht übersehen. Und selbst wenn sie sie bemerkt, sucht sie Ausreden und verteidigt ihn. Willst du ihr helfen, musst du ohne Vorwürfe und Urteile mit ihr sprechen. Stelle ihr Fragen, die sie nicht wie ein Verhör empfindet – so kann sie manches überdenken.“
Doch was die Mutter sagte, nahm Berna kaum ernst. „Ich finde, Emin ist ein guter, warmherziger Mensch… Hätte meine Mutter ihn nur kennengelernt, wäre ihre Meinung sicher anders“, dachte sie. Außerdem hatten Berna und Emin längst entschieden: Schon bald wollten sie ihre Familien einander vorstellen.
Wie jede Woche stand ein Treffen an, doch diesmal war Berna besonders aufgeregt. Sie zog ihre schönsten Kleider an und bereitete sich sorgfältig vor. Es sollte um die Planung des Kennenlernens und Details der Verlobung gehen. Sie kam vor Emin am Treffpunkt an und setzte sich an den Tisch.
Nach geraumer Zeit betrat Emin den Raum – mit düsterem Gesichtsausdruck. Sein Schweigen verriet, dass etwas nicht stimmte.
Berna versuchte, den Grund für seine Stimmung herauszufinden, doch er schwieg. „Gibt es ein Problem in unserer Beziehung, von dem ich nichts weiß?“, fragte sie sich.
Schließlich holte Emin tief Luft und begann zu sprechen: Er sei nicht bereit für die Ehe, wolle weder Berna noch sonst jemanden heiraten. Er könne die Verantwortung nicht tragen. Für Berna verschwammen seine Worte zu einem Rauschen; sie konnte es nicht fassen. „Aber er hat doch gesagt, dass er mich liebt? Dass er ohne mich nicht leben könnte?“
Schock und Enttäuschung
Und trotzdem beteuerte Emin weiterhin, dass er Berna sehr liebe. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Warum wollte jemand, der so sehr liebte, nicht heiraten? Wovor hatte er solche Angst? Offenbar las Emin ihre Gedanken, denn er fuhr fort: „Heiraten ist eine große Entscheidung… Was, wenn etwas schiefläuft und wir beide ein unglückliches Leben führen?“
„Was für ein Unsinn!“, dachte Berna. „Und das fällt dir jetzt ein?“
„Vielleicht habe ich mich blenden lassen, weil sich alles so gut angefühlt hat. Ich habe nicht gefragt, ob es Wirklichkeit oder Illusion war… Ich wollte, dass es wahr ist. Ich wollte für jemanden unersetzlich sein, wollte, dass mir wie im Film der Boden unter den Füßen weggezogen wird…“ Berna fühlte sich, als stünde sie mitten in einem Ein-Personen-Theaterstück.
Wütend sprang sie auf. Was gab es noch zu sagen? Die Ehe, von der sie geträumt hatte, würde es nicht geben – zumindest nicht mit Emin.
„Wie recht meine Mutter doch hatte: Aufrichtigkeit ist wirklich unbezahlbar. Er sagt, er liebt mich, und gleichzeitig will er sich von mir trennen. Mein Herz will an seine Liebe glauben, doch mein Verstand versteht seine Taten nicht. Was soll ich jetzt tun?“
Was bedeutete also Aufrichtigkeit wirklich? Dieses Wort, auf das ihre Mutter so beharrlich hingewiesen hatte, das ihr aber so belanglos erschienen war.
Aufrichtigkeit bedeutet, dass Worte und Taten eines Menschen im Einklang stehen.
Vertrauen gründet sich auf Beständigkeit. Schöne Worte und Versprechen sind leicht gemacht – das kann jeder. Doch wahrhaft wertvoll ist es, wenn ein Mensch seine Worte auch umsetzt und so dem anderen Anteil an seinen begrenzten Ressourcen schenkt.
Berna erinnerte sich an die Worte eines Gelehrten, die sie lange zuvor gehört hatte: „Worte sind kein Beweis. Eure Taten sind der Beweis. Wer sich nur an Worten orientiert, wird getäuscht.“ Wie recht er hatte, dachte sie, und ein schmerzvolles Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Ihre Enttäuschung über die zerplatzten Hoffnungen schmerzte. Gleichzeitig machte sie sich selbst Vorwürfe. So sehr war sie von den schönen Worten mitgerissen worden, dass sie in die Falle tappte, vor der sie andere gewarnt hätte. Ihre Mutter hatte sie offen darauf hingewiesen – doch sie hielt sie für im Irrtum. Am Ende war sie selbst diejenige gewesen, die sich geirrt hatte.
„Wenn man doch nur die Dinge gleich beim ersten Mal verstehen würde…“, dachte sie.
Doch sie hatte ihre Lektion gelernt – eine teure Lektion. Und sie nahm sich fest vor, ihre Schritte künftig mit mehr Bedacht zu setzen.
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Die Erfahrungsdesign Lehre ist eine Wissensgemeinschaft, die die Erfahrungen der Vergangenheit nutzt, um Strategien für die bewusste Gestaltung unserer Zukunft zu entwickeln.
Sie vermittelt Methoden, die Menschen dabei unterstützen, glücklicher, erfolgreicher und erfüllter in ihren Beziehungen zu leben.
Die Programme – beginnend mit „Wer ist wer?“, über „Master in Beziehungen“ bis hin zur „Erfolgspsychologie“ – begleiten Menschen dabei, im Vergleich zu ihrem eigenen Gestern mehr Zufriedenheit und Erfolg zu erreichen.
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„Mitten unter Milliarden von Menschen –
welche Bedeutung könnte schon einem Einzigen zukommen?
Die Antwort darauf kennt nur dieser Eine selbst…“
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